Spaltung durch langsame Neutronen
Otto HAHN (1879 - 1968), Fritz STRASSMANN (1902 - 1980) und Lise MEITNER (1878 - 1968) entdeckten als erste, dass man die schweren Uran-235 Kerne durch Beschuss mit langsamen Neutronen (typische Geschwindigkeit ca. \(2\,\frac{\rm{km}}{\rm{s}}\)) spalten kann. Dabei nimmt der Uran-235 Kern das langsame Neutron auf und es wird kurzzeitig ein instabiler Zwischenkern (Uran-236) gebildet, welcher in zwei mittelschwere Kernbruchstücke "zerplatzt". Bei diesem Spaltprozess entstehen 2 bis 3 sehr schnelle Neutronen (typische Geschwindigkeit ca. \(10000\,\frac{\rm{km}}{\rm{s}}\)), die nach einer Abbremsung weitere Kernspaltungen auslösen können (Kettenreaktion). Die bei der Spaltung entstandenen Kernbruchstücke sind radioaktiv und zerfallen weiter.
Einen Teil der Bindungsenergie, die den Urankern zusammenhielt und nun nicht mehr gebraucht wird, nehmen die Kernbruchstücke als Bewegungsenergie mit. Weiter sind die Bruchstücke positiv geladen, stoßen sich elektrisch ab und fliegen auseinander. Da sie jedoch in ein Kristallgitter eingebettet sind, können sie nicht frei wegfliegen, sondern werden sehr schnell abgebremst. Bei dem Bremsvorgang wird die Bewegungsenergie in innere Energie umgewandelt.
Kritische Masse
Damit eine Kettenreaktion zustande kommt, muss ein Teil der frei werdenden Neutronen wiederum Kernspaltungen auslösen. Die kleinste Masse eines spaltbaren Materials, mit der eine solche Kettenreaktion aufrecht erhalten werden kann, nennt man kritische Masse. Ist die kritische Masse unterschritten, verlassen zu viele Neutronen das Material an seiner Oberfläche, bevor sie eine Spaltung bewirkt haben. Daher hängt die kritische Masse auch von der geometrischen Anordnung des spaltbaren Materials ab. Im günstigen Fall einer kugelförmigen Anordnung beträgt die kritische Masse von U‑235 etwa \(50\,\rm{kg}\). Würde man diese Menge U‑235 flach auswalzen, so wäre die kritische Masse hingegen unterschritten und eine Kettenreaktion nicht möglich.
Moderation von schnellen Neutronen
Ob ein Neutron einen U-235 Kern spaltet hängt u.a. von der Geschwindigkeit des Neutrons ab. Nur langsame, sog. thermische Neutronen besitzen eine genügend hohe Wahrscheinlichkeit weitere U-235 Kerne zu spalten, um eine Kettenreaktion auszulösen bzw. aufrecht zu erhalten. Da bei der Spaltung von U-235 jedoch nur schnelle Neutronen entstehen, muss man diese schnellen Spaltneutronen erst abbremsen. Diesen Vorgang nennt man moderieren.
Wasser eignet sich besonders gut zum Abbremsen der schnellen Neutronen, da die reichlich vorhandenen Wasserstoffkerne (Protonen) fast die gleiche Masse besitzen wie die Neutronen. Wie in Abb. 2 gezeigt ist bei etwa gleich schweren Stoßpartnern der Energieverlust der Neutronen besonders hoch (vgl. Newton-Pendel). Aus schnellen Neutronen werden also in Wasser thermische, langsame Neutronen. An einem viel schwereren Urankern würde ein schnelles Neutron hingegen einfach reflektiert.
Regelung der Kettenreaktion
Für eine friedliche Nutzung der Kernenergie darf die Kettenreaktion der Kernspaltung nicht explosionsartig ablaufen, sondern muss kontrolliert werden. Nach einem "Anfahrprozess" des Reaktors muss dazu die Anzahl der Kernspaltungen pro Zeiteinheit konstant gehalten werden. Dies wird erreicht, indem die Zahl der freien Neutronen, die Urankerne spalten können, reguliert wird. Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
- Man dem Kühlwasser Borsäure beimischen. Borsäure hat die Eigenschaft, Neutronen zu absorbieren. Dies wird genutzt, um den Neutronenzuwachs langfristig zu reduzieren.
- Man kann Regel- bzw. Steuerstäbe zwischen die Brennelemente einführen. Die Regel- oder Steuerstäbe bestehen ebenfalls aus neutronenabsorbierendem Material (z.B. Cadmium). Mit dieser Methode wird ein Reaktor im Betrieb sehr fein reguliert. Die Stäbe können aber auch für eine sehr schnelle Reduktion der Neutronenzahl genutzt werden, wenn sie ganz zwischen die Brennelemente gefahren werden.
Moderation schneller Neutronen durch Wasser
In der Animation in Abb. 3 sind die Brennstäbe dunkelblau dargestellt, repräsentativ sind einige Uran-235 Kerne eingezeichnet.
Die Kettenreaktion ist voll im Gange, der Moderator Wasser ist sehr heiß (gelbe Farbe).
Die neutronenabsorbierenden Regelstäbe (rosa) befinden sich noch nicht zwischen den Brennstäben.
Zur Verdeutlichung ist ein Beispiel für die Spaltung dargestellt: Ein langsames Neutron spaltet im mittleren Brennstab einen Uran-235 Kern. Die dabei entstehenden schnellen Neutronen gelangen in das Wasser, das als Moderator fungiert und die Neutronen abbremst. Für die langsamen, thermischen Neutronen besteht nun eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie weitere Uran-235 Kerne spalten.
Herunterfahren des Reaktors durch die Steuerstäbe
Soll die Kettenreaktion kurzfristig unterbrochen werden, so fährt man die neutronenabsorbierenden Regelstäbe zwischen die Brennstäbe. Als Folge der unterbrochenen Kettenreaktion kühlt sich der Moderator ab (Wechsel der Farbe von gelb auf blau).
Wie es zur Unterbrechung der Kettenreaktion kommt, ist anschließend "mikroskopisch" dargestellt: Die bei der Spaltung im mittleren Stab entstandenen Neutronen stehen auf Grund der Absorption im Regelstab nicht mehr alle für Spaltreaktionen zur Verfügung. Die Spaltreaktionen nehmen massiv ab.